Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Verantwortung

Hallo, Welt!

gestern bin ich zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen mit dem Begriff „Verantwortung“ in Bezug auf GfK in Verbindung gekommen. Im Buch „Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens“ schreibt Marshall dazu auf Seite 38-40:

Eine andere Art lebensentfremdender Kommunikation vernebelt unsere Wahrnehmung darüber, dass jeder von uns verantwortlich für seine eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen ist. Der Gebrauch des weit verbreiteten Worts „müssen“ wie z. B. in „Es gibt Dinge, die man tun muss, ob es einem gefällt oder nicht“, machen deutlich, wie die persönliche Verantwortung für unsere Handlungen mit solchen Sprachwendungen verschleiert wird.

In ihrem Buch „Eichmann in Jerusalem“, das den Kriegsverbrecher-Prozess gegen den Nazi-Funktionär Adolf Eichmann dokumentiert, zitiert Hannah Arendt Eichmann mit der Aussage, dass er und seine Offizierskollegen einen eigenen Namen für die Verantwortlichkeit leugnende Sprache hatten, derer sie sich bedienten. Sie nannten sie „Amtssprache“. Wenn sie z. B. gefragt wurden, warum sie etwas Bestimmtes getan hatten, konnten sie sagen: „Das musste ich tun.“ Wenn nachgefragt wurde, warum sie mussten, lautete die Antwort: „Befehl von oben“. „Firmenpolitik“. „So waren die Gesetze.“

Wir leugnen die Verantwortung für unsere Handlungen, wenn wir ihre Ursache folgenden Gründen zuschreiben:

Vage, unpersönliche Mächte: „Ich habe mein Zimmer sauber gemacht, weil ich es tun musste.“
Unser Zustand, eine Diagnose, die persönliche oder psychologische Geschichte: „Ich trinke, weil ich Alkoholiker bin.“
Die Handlungen anderer: „Ich habe mein Kind geschlagen, weil es auf die Straße gelaufen ist.“
Das Diktat einer Autorität: „Ich habe den Klienten angelogen, weil der Chef es mir befohlen hat.“
Gruppendruck: „Ich habe mit dem Rauchen angefangen, weil alle meine Freunde rauchen.“
Institutionelle Politik, Regeln und Vorschriften: „Für diesen Verstoß muss ich dich von der Schule verweisen – so sind die Vorschriften.“
Geschlechterrollen, soziale Rollen oder Altersrollen: „Ich hasse es, zur Arbeit zu gehen, aber ich muss es tun, ich bin Ehemann und Vater.“
Unkontrollierbare Impulse: „Ich wurde von meinem Verlangen überwältigt, den Schokoriegel zu essen.“
(Auslassung)
Dann zitiert Marshall den Autor George Bernanos. Der schreibt:
Ich denke schon lange folgendes: Wenn eines Tages die immer wirksamer werdenden Zerstörungstechniken schließlich dazu führen, dass unsere Spezies von der Erde verschwindet, dann wird es nicht Grausamkeit sein, die für unsere Auslöschung verantwortlich ist, und natürlich noch weniger die Entrüstung, die durch die Grausamkeit geweckt wird, oder die Vergeltungsmaßnahmen oder Racheakte, die daraus erwachsen …, sondern die Schwäche, der Mangel an Verantwortung im modernen Menschen, seine falsche, unterwürfige Akzeptanz einer jeden Anordnung von oben. Der Horror, den wir schon erlebt haben, und der noch größere Horror, den wir noch erleben werden, sind keine Anzeichen dafür, das Rebellen, Menschen, die sich nicht unterwerfen, die sich nicht kleinkriegen lassen, in zunehmender Anzahl auf der ganzen Welt zu finden sind, sondern eher, dass es eine konstant steigende Zahl von gehorsamen, schwachen Menschen gibt.

 

Soweit das Zitat aus dem Buch.

Vor ein paar Wochen wies ich jemanden am Telefon darauf hin, dass eine Aufstellung nicht der Wahrheit entsprach. Die andere Person sagte zu mir: „Aber das ist mir so gesagt worden!“ Ich bin fast ausgeflippt und konnte nicht benennen, warum ich so heftige Gefühle hatte. Es war Verena, die in einem Gespräch sagte, „geht es dir um Verantwortung?“, und ich fühlte, wie mich Erleichterung durchflutete. Gestern erlebte ich zwei Situationen, in denen mein Bedürfnis nach Verantwortung für die eigenen Handlungen nicht erfüllt war und ich merke, das macht was mit mir! Markus bot mir „Verantwortung“ an und wieder überkam mich die berühmte Erleichterung, wenn Empathie wirklich ankommt. Mein Gefühl ist Aufruhr. Erregung, Empörung, Wut! Dahinter liegen Trauer und Schmerz. Und mir dämmert, dass dieses Thema auch mit meiner Art, Verantwortung zu tragen, zu tun hat. Ich habe mich oft so wahrgenommen, dass ich für andere Verantwortung übernommen habe. Nicht für ein kleines Kind, sondern für einen erwachsenen Menschen. Da zitierte jemand etwas aus der obigen Liste und ich übernahm die Verantwortung. Gern war ich dann schuld (Du hast mich provoziert…) oder aber ich tat Dinge, die der andere gut und gern für sich selbst hätte tun können. Oder er/sie hätte sich Hilfe/Unterstützung organisieren können. Keine Chance, wenn ich in der Nähe war. „Mutti macht’s schon…“

Jetzt hat eine Zeit begonnen, in der Mutti am liebsten gar nichts mehr machen möchte. Mutti ist dabei, ihre eigenen Grenzen zu spüren. Danke, dass ich das noch erleben darf!

So long!

Ysabelle

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