Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Autobahnen verlassen

Hallo, Welt!

… und Hallo, Markus!
Danke noch mal für den Hinweis, dass es manchmal schwer ist, sich mit unseren Automatismen auszusöhnen.

Ich arbeite mich im Moment durch einen fünftägigen Vortrag von Eckhard Roediger: Einführung in die Schematherapie. Er schreibt auf seiner Homepage: Die Schematherapie fokussiert auf die von emotionalen Prozessen gesteuerten Verhaltensweisen, die wir im Laufe unseres Lebens zum Teil unbewusst entwickelt haben. Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung in der Kindheit und Jugend stellten diese Verhaltensweisen zunächst einen zumindest teilweise erfolgreichen Bewältigungsversuch dar. Werden sie starr beibehalten, engen sie zunehmend die weitere Entwicklung ein.
In seinem Vortrag schlägt er vor, tagtäglich gegen die eigenen Automatismen anzulernen und sagt sinngemäß: Wenn Sie morgens aus dem Bett springen wollen und das normalerweise zuerst mit dem rechten Bein tun, dann nehmen Sie heute einfach mal das linke. Wenn Sie beim Anziehen sonst zuerst in die Unterhose und dann ins Hemd steigen, machen Sie es heute umgekehrt. Und wenn Sie am Frühstückstisch das Glas Nutella anlacht, sagen Sie einfach, nein, meine Süße, heute kommt Marmelade dran. Diese Übung können Sie ständig machen, um sich Ihrer Gewohnheiten bewusst zu werden und sie in Frage zu stellen, und Sie brauchen dafür überhaupt keine (zusätzliche) Zeit…
Im letzten Modul der GfK-Fortbildung haben wir eine Übung gemacht, die ich schon kannte, aber noch nicht in dieser Mächtigkeit ausprobiert hatte. Wir haben sie „Der heiße Stuhl“ genannt. Jeder von uns hat ja den einen oder anderen Satz, den er schwer hören kann. Beim „Heißen Stuhl“ wird nun einer der Teilnehmer geradezu bombardiert mit solchen Sätzen und versucht, mit GfK darauf zu antworten.
Probiert doch mal selbst empathische Antworten auf

Das schaffst du nie…

Letztes Jahr hast du aber noch in das blaue Kleid gepasst

Ich dachte, Sie hätten das im Griff

Du kannst hier nicht stehen!

Du machst immer alles so kompliziert!

Muss das sein?

Das kann so nicht bleiben!

Immer dieses Genörgel!

Diese Liste ließe sich sicherlich kilometerlang fortsetzen. Vielleicht habt Ihr Lust, ein paar Antworten zu probieren, entweder als empathische Entgegnung oder als Selbstoffenbarung (wenn ich höre… fühle ich mich… weil mir… wichtig ist…). Mit dieser Übung können wir versuchen, die automatisierten Reaktionen (oft Angriff oder Verteidigung) zu unterbrechen. Wir können üben, uns auch in schwierigen Situationen aus der Welt von Richtig oder Falsch zu verabschieden.

Heute Morgen bot sich mir eine besondere Gelegenheit zum Üben…
Im Zug setzte sich mir ein Ehepaar gegenüber. Die Dame war an Krücken. Als die Schaffnerin kam, beschwerte sich der Herr, wieso die Fahrkarte seit dem vorigen Mal fast doppelt so teuer geworden sei. Die Schaffnerin prüfte den Fahrschein und sagte, „Sie haben eine Gruppenkarte gekauft. Das ist für Sie nicht der beste Fahrschein für diese Strecke. Bitte unterschreiben Sie die Karte noch hier unten.“ Mit diesen Worten reichte sie dem Mann die Karte und einen Kugelschreiber. Die Ehefrau riss dem Mann die Karte aus der Hand und sagte erregt: Ich unterschreibe gar nichts. Dann fing sie an, auf russisch schnell und anscheinend ärgerlich zu reden. Die Schaffnerin zuckte mit den Achseln und setzte ihren Kontrollgang fort. Und ich überlegte die nächsten 20 Kilometer, was in diesem Fall eine empathische Antwort gewesen wäre und welche Gefühle wohl in meiner Tischnachbarin lebendig waren. Eine spannende Beschäftigung, mit der ich gleichzeitig trainieren kann, in schwierigen Situationen empathisch zu bleiben. Zu allererst mal mit mir. Und mich hat diese Unruhe, die Lautstärke und das Verhalten ziemlich gestört…

So long!

Ysabelle

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