Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Wortschätzchen: scheitern

Hexen-Einmaleins
du mußt verstehn!
aus eins mach zehn,
und zwei laß gehn,
und drei mach gleich,
so bist du reich.
verlier die vier!
aus fünf und sechs,
so sagt die hex,
mach sieben und acht,
so ist’s vollbracht:
und neun ist eins,
und zehn ist keins.
das ist das hexeneinmaleins.

(ref:) immernoch werden hexen verbrannt
auf den scheiten der ideologie.
irgendwer ist immer der böse im land
und dann kann man als guter
und die augen voll sand,
in die heiligen kriege ziehn.

als sie giordano bruno verbrannten
sandte sein gott keine blitze gegen das unrecht.
munter flackerte das feuer.
der pöbel mußte manchmal husten zwischen zwei lachern,
so qualmte giordano. oder grandier,
neben seinem scheiterhaufen sonnte sich richelieu.
14 nonnen mit klistierspritzen garniert,
wälzten sich vor wollust und gier.
und das christliche abendland
sann befriedigt weiter auf gute taten.
was hat dieser ketzer mit uns zu tun,
flötet unser jahrhundert.
doch 300 jahre später
konnte ein gewisser trotzki,
angeklagt der unzucht mit der freiheit,
das haupt dogmen baljo gespalten,
300 jahre später konnte dieser trotzki
die menschheit nur noch
um vergebung bitten für seinen henker.

(ref:) immernoch werden hexen verbrannt
auf den scheiten der ideologie.
irgendwer ist immer der böse im land
und dann kann man als guter
und die augen voll sand,
in die heiligen kriege ziehn.

sacco und vanzetti, keiner rothaarig,
nie mischten sie zaubertränke um mitternacht.
auch des nachbarn kühe gediehen vortrefflich.
trotzdem wurden sie niedergemetzelt
von den schergen der mickey mouse.
oder sechs millionen juden,
fürwahr eine heerschar von hexern,
zum aderlaß geprügelt
für die reinheit des blutes.
schrecklich! schrecklich!
und die mönche der demokratie
wedeln verzeihung heischend
mit der rute und siehe,
der freigeist geht um!

alle sind aufgeklärt,
doch wer weiß bescheid!?
heute haßt man modern.
die angst ist die flamme unserer zeit
und die wird fleißig geschürt.
sie verbrennen dich
mit ihrer zunge und ihrer ignoranz.
dicke freundliche herren
bitten per television zur jagd.
tausende zum feindbild verdammt
halten sich für’s exil bereit.
die schlupfwinkel werden knapp,
freunde. höchste zeit aufzustehen!

du mußt verstehn!
aus eins mach zehn,
und zwei laß gehn,
und drei mach gleich,
so bist du reich.
verlier die vier!
aus fünf und sechs,
so sagt die hex,
mach sieben und acht,
so ist’s vollbracht:
und neun ist eins,
und zehn ist keins.
das ist das hexeneinmaleins.
Konstantin Wecker

Hallo, Welt!
Vorgestern sagte ein Bekannter im Gespräch: „Ich bin zweimal damit gescheitert, mit dem Rauchen aufzuhören.“ Ich fragte nach, was genau meinst du mit scheitern? Und er entgegnete, Na, ich habe das zwei Mal versucht und es nicht geschafft. Ich nahm bei ihm Scham wahr und Schmerz. Urteile wie „Weichei“ oder „charakterschwach“ lagen in der Luft. Und dann sagte er, „verdammte Sucht!“
Ich war selbst eine recht starke Raucherin. Noch heute bin ich voll des Bedauerns, dass ich es nicht einmal geschafft habe, während der Schwangerschaft damit aufzuhören. Jeder Raucher, der es schwierig findet, dieses Hobby aufzugeben, hat mein tiefstes Mitgefühl. Doch mit Scheitern hat das meiner Ansicht nach gar nichts zu tun. Scheitern beinhaltet eine Bewertung. Mitgeliefert wird in den meisten Fällen: Eigentlich hätte das klappen müssen/sollen. Aber du… und dann können wir aus verschiedenen Textbausteinen wählen.
Du hast dich nicht genug angestrengt
du hast das nicht sorgfältig genug geplant
du hast dir nicht die ausreichende Unterstützung geholt
du bist zu blöd
du gibst dir nicht genug Mühe…

Sicher könnt Ihr diese Liste mit eigenen Textbausteinen ergänzen.
Scheitern impliziert also, dass mit demjenigen, der scheitert, etwas nicht stimmt. Oder etwas anderes stimmt nicht. Die Himalaya-Expedition scheiterte, weil ein Schneesturm den Weg unpassierbar machte. Dann hat Scheitern etwas Schicksalshaftes. Höhere oder dunkle Mächte haben sich gegen mich verschworen, sonst hätte es doch klappen müssen mit der Erstbesteigung meines persönlichen Ratna Purna. Also: Entweder ich bin falsch oder ich habe keine Handlungsoptionen, weil von oben/außen bestimmt wird, was für mich richtig oder falsch ist.

„Scheiter der Ideologie“ schreibt Konstantin Wecker in seinem Chanson. Scheite sind Holzklötze. Wer also scheitert, errichtet sich seinen persönlichen Scheiterhaufen.
Ich vermute, in diesem Fall sind die Bedürfnisse
Selbstvertrauen
Autonomie
Sicherheit
Anerkennung
Begeisterung
Leichtigkeit
und vielleicht Spiritualität im Mangel.

Und die Gefühle, die sich hinter diesem Scheitern verbergen,
sind vielleicht
frustriert
traurig
verzweifelt
voller Scham
ratlos
mutlos
miserabel
müde
deprimiert
und erschöpft.

Ich könnte mir vorstellen, dass mancher auch aus der Tatsache, dass er oder sie ein Vorhaben nicht umsetzen konnte, ganz andere Gefühle aktiviert:
Er ist dann vielleicht
mutig
gelassen
eifrig
überlegt
hoffnungsvoll
inspiriert
weise (hat etwas gelernt aus der Erfahrung)
kraftvoll
und lebendig.

Sicher kann man diese Gefühle noch tiefer interpretieren. Aber ich vermute, es ist schon klar, worum es mir geht. Der eine erlebt sein „Scheitern“ als eine persönliche Niederlage, die ans Selbstwertgefühl geht. Der andere nimmt das Scheitern als Herausforderung an, geht mit Leidenschaft daran, einen neuen Plan zu schmieden.

Wie kann ich dem Scheitern den Stachel ziehen?
Im ersten Schritt möchte ich dazu einladen, die nackte Beobachtung zu finden.
Was genau ist geschehen?
Ich habe zwei Anläufe genommen, nicht mehr zu rauchen. Ich habe weiterhin geraucht.

Und dann schaue ich auf die Bedürfnisse.
Welche wunderbaren Bedürfnisse wollte ich mir erfüllen, als ich mit dem Rauchen aufhören wollte?
Gesundheit
Effizienz (was meine Finanzen angeht)
Ordnung (keine Kippen mehr in der Wohnung)
Schönheit (kein Gestank in der Bude, die Klamotten riechen immer frisch)
Atmen
Gemeinschaft (ich will nicht mehr auf den Balkon!)
Friede (nicht mehr vom Verlangen geplagt zu werden)
Leichtigkeit
und vielleicht Spiritualität im Sinne von Schutz für meinen Körper, dieses wunderbare Geschenk der Natur

Und jetzt wird es spannend:
Welche wunderbaren Bedürfnisse habe ich mir erfüllt, als ich wieder zur Zigarette griff?
Leichtigkeit
Entspannung – auch im Sinne von Stress-Management
vielleicht Beteiligung und Gemeinschaft, wenn ich mit anderen Rauchern zusammen bin?
Schutz (vor Verwundbarkeit, ich fühle nichts, ich rauche…)
Zeit zum Nachdenken oder Reagieren (bevor ich was sage, steck ich mir erst mal eine an…)
und bei meinen eigenen „Wieder rauchen“-Aktionen spielte oft der Aspekt des Verwöhnens eine Rolle. Ich ent-schädige mich für etwas anderes… Also ist auch mein Bedürfnis nach Liebe im Mangel.
Wenn es mir also gelingt, diese Bedürfnisse, die ich mir mit dem Rauchen erfülle, auf andere Weise zu erfüllen, dann gibt es auch keine Veranlassung mehr zu rauchen.
Das klappt bestimmt auch bei anderen Herausforderungen, denen ich mich stellen möchte. Vielleicht sollte ich diese Methode an Volkshochschulen unterrichten.

So long!

Ysabelle

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