Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Dankbarkeit 5. Dezember 2017

Hallo, Welt!
Der Blick auf den Tag verändert sich im Dankbarkeitsmonat. Ständig prüfe ich, was denn geeignet wäre, um es hier zu feiern. Heute sind es ein halbes Dutzend kleiner Erlebnisse.
Der Drucker-Techniker war da. Wie schon mal vor fünf Wochen. Damals hat er den Riemen ersetzt, der den Kopierschlitten hin- und her zieht, aber schon zehn Tage später war er wieder kaputt. Und diesmal dauerte es drei Wochen, bis er den Weg hier raus gefunden hat. Er hat also das Ersatzteil erneut getauscht. Die neuere Version ist aus anderem Material und die Metallspange, die den Riemen zusammenhält, ist größer. Ich bin ja mal gespannt, was die Firma mir dafür auf die Uhr schreibt … Aber das Wichtigste: Ich kann wieder kopieren und das Ding piept nicht mehr ständig.

Fontane und ich waren heute beim Agility. Es waren keine (Hunde-) Damen außer einer sehr erfahrenen Yorkshire-Lady anwesend, und auf einmal konnte sich der Herr konzentrieren und 20 Hoopers auf Kommando laufen. Hoopers – das sind Bögen, die in einem Gestell stecken und die Hunde laufen drunter durch. Also ich war richtig stolz auf ihn!

Bei unserem Mittagsspaziergang habe ich zwei Mal einen Futterbeutel mit Leckerlis versteckt und Fontane hat ihn gefunden. Bin ich dafür dankbar? Na ja …, es freut mich. Solche Spiele tragen mit dazu bei, dass ich im Hier und Jetzt bin. Und dafür bin ich tatsächlich dankbar.

Zum Mittagessen gab es heute Sauerbraten, für mich gekocht von meinem Schlachter. Ich käme nicht im Traum auf die Idee, für mich allein Sauerbraten zu machen. Deshalb ist es umso schöner, wenn ihn einer so kocht, wie ich ihn am liebsten mag. Im Nachhinein fällt mir gerade auf: Rotkohl wäre dazu prima gewesen. Schade, dass ich da nicht früher drauf gekommen bin. Aber es hat auch so gereicht.

Das Schönste: Ich habe heute einen ganzen Haufen Rechnungen bezahlt. Und das Geld war da. Obwohl die Gehälter abgegangen und in den vergangenen Wochen heftige Ausgaben zusammengekommen sind, konnte ich alles vom gedeckten Konto begleichen. Das fühlt sich einfach wunderbar an. Und es bleibt sogar noch etwas übrig, um für unser Lager eine Heizung zu bestellen. UND! Ein Freund wird sie für mich anmontieren. Das Leben ist schön!

So long!
Ysabelle

Dankbarkeit 4. Dezember 2017

Hallo, Welt!
Gestern habe ich sechs Stunden gebügelt. Der Korb türmte sich einen Meter hoch. Zwei Meter entfernt von mir saß meine Schwiegertochter und hat sechs Stunden Lastschrifteinzüge bearbeitet. Ich glaube, ich hatte den besseren Deal …

Sie und mein Sohn sind ja nun schon zwölf Jahre ein Paar, meine Enkeltochter ist sechs Jahre alt. Und mindestens neun Jahre war unser Verhältnis gelinde gesagt kompliziert. Mit den früheren Freundinnen meines Sohnes hatte ich mich stets gut verstanden, mit seiner Frau kriegte ich trotz meines schönsten Bemühens einfach keine Verbindung zustande. Rückblickend spüre ich ganz tiefe Traurigkeit über diese Sprachlosigkeit zwischen uns.
Inzwischen arbeiten wir seit vier Jahren zusammen. Es fing damit an, dass ich jemanden für die Buchhaltung brauchte, zwei Stunden die Woche. Daraus ist inzwischen ein echter Halbtagsjob geworden. In unserer Zusammenarbeit hat es immer wieder ziemlich rumpumpelt. Zugleich waren wir beide immer wieder bereit, Unterstützung anzunehmen. Aktuell genießen wir die Supervision von Kristina Thiede. Ist das wunderbar, jemand anderem die Verantwortung für den Prozess in die Hände zu geben uns sich nur auf die Inhalte zu konzentrieren! Unglaublich, was alles ans Tageslicht kommt, wenn man sich die Zeit nimmt, darauf zu gucken und sich zuzuhören! Ich habe ja in meinem früheren Arbeitsleben ein Team von 30 Leuten und zeitweise genau so vielen freien Mitarbeitern geleitet und immer alles „allein“ versucht zu händeln. Supervision ist in der Medienbranche ein Fremdwort. Anscheinend gibt es so eine Fantasie, dass alle Beteiligten so oberschlau sind, dass sie immer und überall die richtigen Lösungen finden … UND die Belange aller ausreichend im Blick haben … Eine Fiktion, möchte ich sagen.
Ich danke heute meiner Schwiegertochter, dass sie sich immer wieder auf mich und meine Art eingelassen hat. Ich danke ihr für alle Veränderungen in unserem Umgang miteinander. ich danke ihr für all die Momente, in denen sie mich sehen kann, mit meinen Bedürfnissen und mit meiner gelegentlichen Bedürftigkeit.
Ich danke mir, dass ich immer wieder neu versucht habe, mit ihr in Verbindung zu kommen. Ich danke mir für meine Beharrlichkeit und dafür, mich in unserem Verhältnis verletzlich zu zeigen.
Und ich danke der Höheren Macht für alle Unterstützung von oben. Manchmal geht es nicht ohne …
So long!

Ysabelle

Dankbarkeit 3. Dezember 2017

Hallo, Welt!
Eben habe ich mir mit dem Hund eine Scheibe Gouda geteilt. Ich saß auf einem kleinen Hocker/Tritt sozusagen auf Augenhöhe und habe von der halben Scheibe kleine Stücke abgerissen und ihm gefüttert. Mit jedem Bissen habe ich ihm gesagt, was er für mein Leben bedeutet. Wie beschenkt ich mich durch seine Anwesenheit fühle, wie er meine Tage bereichert, wie schön es ist, morgens mit ihm eine Runde zu drehen, wie sehr ich es schätze, dass er inzwischen „tauscht“, also Beute gegen Leckerli wieder hergibt … nach dem fünften oder sechsten Brocken liefen die Tränen, ich konnte das Glück körperlich spüren.
Es ist mir ein wichtiges Anliegen, meine Dankbarkeit gegenüber den Menschen auszudrücken, mit denen ich zu tun habe. Dazu zählen meine MitarbeiterInnen, Hunde- und KatzensitterInnen, der Tierarzt und die Bäckereifachverkäuferin, die Mitarbeitende beim Steuerberater oder neulich die Frau bei der Firma, die meine Telefonleitung in Ordnung bringen soll.
In meiner Wahrnehmung erlebe ich nicht viel Dankbarkeit in meinem Umfeld. Gestern erreichte mich eine Mail, die ich als absolute Ausnahme besonders feiern möchte.

deine persönliche Ansprache hat mich sehr berührt. Ich fürchtete schon, so viel von mir zu zeigen. Aber als ich las, dass du mit vielem, von dem, was ich schrieb, im Herzen mitfühlen kannst, brach ich vor meinen kleinen Kindern spontan in Tränen aus. Sie schauten mich ganz erstaunt an und ich erklärte ihnen, wie glücklich es mich gemacht hat, zu hören, dass du mit mir mitschwingen kannst, und dass man auch weinen kann, wenn man glücklich ist.

Das konnte ich so gut nachfühlen, denn ich weine häufiger, weil ich einfach so glücklich bin.

Im Auto habe ich gestern einen unbekannten Anrufer angenommen. Es war ein GFKler, den ich nicht persönlich, sondern nur per Mail kannte. Die Person hatte sich über eine Handlung von mir geärgert und sich entschieden, mich anzurufen, statt mir eine wütende Mail zu schicken. Es dauerte 15 Minuten und wir waren auf dem Weg, wirklich gute Freunde zu werden. Dass so etwas gelingen kann, erfüllt mich mit Freude und Dankbarkeit. Das Rezept: Sich wirklich aufrichtig zuhören. Sich mit dem eigenen Herzen verbinden und mit dem des anderen … Wie wunderbar, dass ich dieses Medikament immer häufiger im Zugriff habe!

So long!

Ysabelle

Dankbarkeit 2. Dezember 2017

Hallo, Welt!
Mein Empathie-Buddy hat mir ein Brieflein geschrieben und sich für mein Kommen bedankt. Ein Brieflein im gleichen Miniformat habe ich vorgestern aus dem Kasten gezogen. Es war von meiner langjährig besten Freundin, die ihr Bedauern ausdrückte, dass wir es entgegen ihren Absichtsbekundungen seit Juli nicht geschafft haben, uns zu sehen. Und ein weiterer Brief liegt in der Küche, von einer Freundin, die sich zum Jahreswechsel 2014 von mir abgewandt hatte, weil sie der Ansicht war, ich hätte nicht genug Zeit für unsere Freundschaft. Im August diesen Jahres klopfte sie wieder an meine Tür …
Seit mindestens vier Jahren liegt hier bei mir im Arbeitszimmer der Brief eines jungen GFK-Freundes, den er mir damals zu Weihnachten schrieb. Darin bedankt er sich für unsere Verbindung und unsere Freundschaft. Handgeschrieben. Und an der Tür zu meinem Arbeitszimmer hängt ein Gedicht, das eine Freundin/Mitarbeiterin für mich geschrieben hat. Mit dem Computer geschrieben, aber auf unsere Freundschaft gereimt.

Die Brieflein werden wohl – wie die Eintrittskarte vom Spiel St. Pauli gegen Schalke 2011 – an den Kühlschrank wandern. Ich sehe sie nicht jeden Tag, aber immer mal wieder. Genau wie die Karte von meiner Freundin aus Braunschweig, die sie mir zum Geburtstag schenkte: „Du hast die Jahre schön …“

Jede handgeschriebene Nachricht ist für mich ein besonderer Gund zur Dankbarkeit und zur Freude. Da hat sich jemand hingesetzt und an MICH gedacht. Er oder sie hat nicht einfach eine Mail geschickt oder eine WhatsApp-Nachricht. Jemand hat eine Karte ausgesucht und sie von Hand beschrieben. Vielleicht hat er oder sie an diesem Tag auch 20 andere Weihnachtskarten verfasst, aber diese eine ist für mich. Handgeschriebene Nachrichten sind für mich ein Ausdruck von Wertschätzung und Verbindung, sie sagen mir, „Du bist mir wichtig“.
Jedes Feiern eines solchen Geschenks bringt mich auch mit meiner Trauer in Verbindung. Ich möchte auch handgeschriebene Briefe verschicken! Ich möchte auch die Zeit finden, mich hinzusetzen und den Menschen zu schreiben, die meinem Herzen nahe stehen: Meine Freundinnen Wiebe, und Bieke, und Cynthia, und Chricky, und Brita und Kerstin, (mögen mir alle die verzeihen, die hier gerade nicht einzeln aufgeführt sind), und meine Freunde Michael, Peter, Jens, Jürgen, Markus, Gabriel, Siegfried, Thomas, Kai, Christian und all die vielen anderen, die mich seit (vielen) Jahren begleiten. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Vielleicht gelingt es mir ja in diesen Tagen, noch ein paar schöne Karten zu erjagen, und vielleicht finde ich die Zeit zwischendurch, meinen Lieblingsmenschen zu sagen: Ich bin froh, dass es DICH gibt!
So long!

Ysabelle

Dankbarkeit 1. Dezember 2017

Hallo, Welt!
Ich möchte mit Euch den Dankbarkeitsmonat Dezember feiern. Das ist ja bei den Giraffenohren seit Jahren Tradition. Jetzt springen auch andere auf diesen Zug. Unter anderem gab es eine Ausgabe des GFK-Magazins „Empathische Zeit“ zu diesem Thema und gestern entdeckte ich auf Stern online eine Kolumne, in der der Autor zusammentrug, warum man in einer Beziehung Dankbarkeit zeigen sollte. Eigentlich bitter, dass man das noch mal extra sagen muss …
Durch die Gewaltfreie Kommunikation ist die Dankbarkeit wirklich fest in meinem Leben verankert worden. Jedes Seminar, das ich anbiete, endet mit „Feiern und Bedauern“, wobei Feiern für mich auch eine Form der Dankbarkeit ist. Jeden Tag aufs Neue bin ich tatsächlich meinem Hund dankbar, der mein Leben unendlich bereichert. Der Tierarzt frotzelte neulich rum, was Pudel für neurotische Angewohnheiten hätten, und meinte, „ich hab dich ja vorher gefragt, ob du weißt, worauf du dich einlässt, aber du bist ja anscheinend ganz zufrieden …“ Das trifft es nicht. Ich bin glücklich und verliebt. Jeden Tag aufs Neue. Möge uns das Schicksal noch viele gemeinsame Tage gönnen!
Danken ist für mich irgendwie etwas nach außen zu geben, sichtbar zu machen. Gäbe es eine Geste (außer Hand/Hände aufs Herz), wäre es für mich das Halten der geöffneten Hände vor der Brust. Und diese Geste bringt mich zu meiner persönlichen Herausforderung. Danken ist eine Sache. Annehmen eine andere. Und das fällt mir verdammt schwer.
Vor zehn Tagen habe ich in London einen Workshop gegen Spende gegeben. Der Flug kostete 185 Euro, der Hundeurlaub 125 Euro, die Versorgung der Katzen 50 Euro. Obwohl die Teilnehmenden großzügig Geld in den Hut taten, deckten die Einnahmen nicht die Kosten. Ich war trotzdem zufrieden. Die Teilnehmenden können ja nichts dafür, dass ich Hundepension und Katzensitter zahlen muss, und für den Flug reichten die Spenden.
Mein englischer Empathie-Buddy, dessen Geburtstag der Anlass für diesen Workshop war, lenkte mehrmals unsere Unterhaltung auf meine Kosten für diesen Trip. „Ich bin zurzeit finanziell gut gestellt, es fällt mir gerade leicht, dich zu unterstützen und ich würde es gern tun. Lass mich doch deinen Flug bezahlen …“

Es ging nicht.
Irgendetwas bremste mich aus. Am Montagabend – ich hatte gerade eine 3,5-stündige Session auf englisch beim „Empathy Central“ am Leicester Square auf dem Magischen Feld gegeben – haben wir dann intensiver darüber geredet. „Schenke mir dein Annehmen“, sagte mein Freund. Inzwischen hatte er mich so weichgekocht, dass ich nach meinen Gefühlen schaute. Was löste das denn in mir aus, dass er mich so unbedingt beschenken wollte? SCHAM. Ach, guck an! Ich war überrascht. Ein unerfreuliches Konvolut an Glaubenssätzen – vor allem solche, von denen ich dachte, sie seien doch längst bearbeitet – quollen da aus einer Kiste, die ich anscheinend irgendwo vergessen hatte. Ich war ziemlich betroffen, als ich realsierte, dass ein Teil von mir glaubte, ich sei es nicht wert, so ein (großes) Geschenk zu bekommen. „Es steht dir nicht zu.“ „Was glaubst du denn, wer du bist!“ Ganz, ganz leise sagte auch jemand in meinem Kopf, „dafür wirst du bezahlen …“ Eine gruselige Erkenntnis. Kein Wunder, dass ich drei Tage so barsch und ablehnend sein Geschenk zurück gewiesen hatte! Wenn ich so einen Müll heimlich glaubte …

Er wäre nicht der beste Empathie-Buddy der Welt, wenn wir diese Kuh nicht vom Eis gekriegt hätten. Erst mal haben wir gemeinsam die Scham angeguckt und willkommen geheißen. Er hat sie freundlichst gefragt, ob sie viel zu tun hat und ob es denn so klappt mit dem „mich beschützen“ und „mich von Fehlern abhalten, die ich nachher teuer bezahlen muss“. Alles wurde ganz friedlich in mir. Scham meinte dann noch, immerhin sei ich ja eine erwachsene (alte) Frau, die gefälligst für sich selbst sorge solle und dazu in der Lage sein müsse … Manchmal ist es gar nicht so einfach in meiner Haut.
Die vorgeschlagenen Strategien fühlten sich alle nicht behaglich an. Doch dann fiel meinem Empathie-Buddy etwas ein. „Ich war gerade mit meinen Töchtern in Urlaub in Valencia und habe noch einen Haufen Euros, die ich nicht getauscht habe. Wärst du bereit, dieses Geld zu nehmen?“
Jaaaaaaa!!!! Mit diesem Vorschlag konnte ich mich richtig gut anfreunden. Denn wenn er mich besucht, möchte ich immer alles zahlen, weil er ja schon die Reisekosten hat. Und meist lässt er sich das gefallen. Und nun wollte er in seinem Land zu meinem Wohlergehen einen Beitrag leisten und ich zeigte mich so sperrig … Was für ein Lehrstück über Geben und Empfangen! Letzteres möchte ich mehr üben. Vielleicht fällt mir dazu in den kommenden Wochen noch mehr auf. Dann werde ich darüber berichten.

So long!

Ysabelle

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