Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Du bist so … einzigartig.

Hallo, Welt!
Schon seit einiger Zeit habe ich bei Youbube den Kanal Awaken with JP abonniert. Ich finde es entlarvend, wie er sich über verschiedene Themen äußert: Gluten-Unverträglichkeit, den richtigen Guru finden, Indigo-Kinder … keine Ahnung, was der Mann im wahren Leben macht, aber diese Videos macht er großartig.
Gestern nun stolperte ich über ein relativ neues Werk, in dem JP Sears einen Kurs in passiv-aggressivem Verhalten gibt. Als brave GFK-lerin lehne ich natürlich alle Arten von Diagnosen ab. Statt dem anderen zu unterstellen, wie er/sie ist, spreche ich über Beobachtung, Gefühl und Bedürfnis, und bestensfalls formuliere ich jetzt eine Bitte.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich von dieser Diagnose „Passiv-aggressiv“ aktuell gerade begeistert bin. Jetzt hat das Kind doch mal ’nen Namen! Hier erst mal das Video dazu.

Da mir die im Film beschriebenen Verhaltensweisen so bekannt vorkamen, habe ich „passiv-aggressiv“ mal gegooglelt. Besonders beeindruckend fand ich die Zusammenstellung auf Karierebibel

Diese acht Anzeichen sprechen für eine passiv-aggressive Persönlichkeit:

Passiv-aggressiv: Sie arbeiten absichtlich langsam oder schlecht

In jeden Job gibt es Aufgaben, die weniger Spaß machen oder anstrengend sind. Man kann sich durchbeißen und sein Bestes geben, um schnell damit fertig zu sein. Passiv-Aggressive Kollegen verfolgen aber eine andere Strategie. Sie lassen sich besonders viel Zeit und bringen nur ein absolutes Minimum.

Damit fordern sie heraus, dass sich ein gutmütiger Kollege der unliebsamen Aufgabe annimmt und diese in Zukunft am besten von Anfang an in andere Hände gegeben wird. Kein Streit, keine direkte Aussprache – eher eine unterbewusste Konditionierung.
Passiv-aggressiv: Sie attackieren gerne hinterrücks

Wenn ihnen etwas nicht passt, halten sie mit Ihrer Meinung nicht lange hinterm Berg. Das große Aber: Das Problem wird nicht zwischen den beteiligten Personen besprochen, sondern an das gesamte Umfeld herangetragen. Passiv-aggressive Menschen beschweren sich lieber bei jedem anderen Kollegen im Büro, wodurch nur noch weitere schlechte Stimmung entsteht.

Durch das passive Vorgehen können Betroffene zwar ihren Frust hinterrücks loswerden und fühlen sich erst einmal besser, schaffen aber neue Probleme, ohne das bereits bestehende in irgendeiner Weise zu lösen.

Passiv-aggressiv: Sie meiden direkte Konfrontationen

Wie bereits angesprochen, gehen Passiv-Aggressive einer direkten Konfrontation immer aus dem Weg. Auch wenn sie sich angegriffen oder verletzt fühlen, ziehen sie sich daher zunächst zurück. Eine verbreitete Taktik ist es auch, dem Gegenüber während des Rückzugs ein schlechtes Gewissen einzureden.

Der andere soll wissen, dass man mit seinem Verhalten nicht einverstanden war, auch ohne, dass es ihm explizit gesagt wird. Im besten Fall entschuldigt sich der Gegenüber auch noch für den Fehler, der ihm ungesagt vorgeworfen wird.

Passiv-aggressiv: Sie planen Ihre Rache

Es wäre falsch zu glauben, dass passiv-aggressive Persönlichkeiten sich irgendetwas einfach gefallen lassen würde. Manchmal scheint es so, als würde zunächst Gras über die Sache wachsen, doch sobald sich eine Gelegenheit bietet, nutzen sie Ihre Chance, um sich zu rächen.

Das funktioniert auch ohne offenen Streit, indem ein Kollege etwa beim Chef in Verruf gebracht wird, Informationen nicht an alle Beteiligten weitergegeben werden oder Aufgaben unauffällig sabotiert und zum Scheitern gebracht werden – Hauptsache, das empfundene Unrecht wird ausgeglichen.

Passiv-aggressiv: Sie reden sich gerne selbst schlecht

Die typische negative Grundeinstellung der passiven Aggressivität zeigt sich auch in der Meinung über sich selbst. Anstatt wirklich etwas zu versuchen und mit besten Leistungen zu überzeugen, reden sie sich daher lieber selbst von vornherein schlecht. Durch dieses Verhalten können sie das Selbstbild eines missverstandenen Einzelkämpfers aufrecht erhalten, da andere ihnen Aufgaben abverlangen, die für sie nicht lösbar sind.

Misslingt die Aufgabe aufgrund einer selbsterfüllenden Prophezeiung tatsächlich, fühlen sie sich nur noch mehr bestätigt und wissen gleich, wer die Schuld daran trägt.

Passiv-aggressiv: Sie vertuschen Ihren Ärger

Besonders die Passivität macht es für Außenstehende oft schwer, die wirklichen Gedanken passiv-aggressiver Menschen zu verstehen. So kann es vorkommen, dass sie nach außen hin lange Zeit gute Mine zum bösen Spiel machen, während innerlich die Wut immer weiter hochkocht – und kein anderer bemerkt es.

Dies können Sie besonders deutlich bei sich selbst beobachten: Es ist ein deutliches Anzeichen für passiv-aggressives Verhalten, wenn Ihre wahren Gedanken und Ihre nach außen gezeigten Handlungen regelmäßig nicht zusammenpassen.
Passiv-aggressiv: Sie vergessen Dinge mit Absicht

Haben Sie schon einmal „rein zufällig“ vergessen, dass Sie sich eigentlich mit einem Freund treffen wollten, weil Sie eigentlich keine Lust hatten? Oder haben Sie irgendwie nicht mehr an eine wichtige Deadline für eine Aufgabe gedacht, die Sie ohnehin unnütz fanden?

Dann zeigen Sie klare Anzeichen von passiv-aggressivem Verhalten. Anstatt Ihre Meinung offen zu sagen und damit die Möglichkeit für eine Diskussion zu erschaffen, suchen sie einen indirekten Weg, um Ihre Meinung zu sagen.
Passiv-aggressiv: Sie versuchen Ihr Umfeld zu manipulieren

Wie bereits viele der Punkte verdeutlichen, ist das Verhalten von passiv-aggressiven Menschen oft darauf ausgelegt, die Umwelt zum eigenen Vorteil zu manipulieren. Wer anstatt freundlich nach Hilfe zu fragen lieber ein Ich werde noch die ganze Nacht an diesem Projekt sitzen in die Runde wirft, versucht auf passive Weise, die Kollegen dazu zu bringen, einen Teil der Arbeit zu übernehmen.

Dabei wird jedoch billigend in Kauf genommen, dass diese sich schlecht fühlen oder vielleicht selbst Überstunden machen müssen.

und etwas weiter unten heißt es dann:

Wir haben klassische Formulierungen gesammelt, die passiv-aggressive Menschen nicht nur im Wortschatz haben, sondern besonders gerne und häufig benutzen – daher funktionieren diese Sätze auch als Test für passiv-aggressives Verhalten. Erkennen Sie sich selbst oder andere besonders häufig wieder?

„Ist ja jetzt auch egal…“ Die Kurzfassung: Nein, ist es nicht und soll auch gar nicht zum Ausdruck gebracht werden. Übersetzt könnte dieser Satz auch bedeuten: Ich habe keine Lust mehr, mit dir zu diskutieren, werde dir aber noch lange vorhalten, dass du mir nicht zugestimmt hast.

„Das habe ich doch gar nicht so gemeint…“ Ein raffinierter Satz, um sich aus der Affäre zu ziehen und andere geschickt zu manipulieren. Egal, ob Aufgaben vergeben wurden oder Kritik mit Ironie verpackt wurde, die Wirkung wurde erzielt und wenn es nicht so gemeint wurde, kann es ja auch keine Konsequenzen geben.

„Das verstehst du einfach nicht…“ Ein einfaches, aber sehr wirkungsvolles sprachliches Mittel, um die Schuld sofort dem Gegenüber zu geben.

Für deine Verhältnisse ist das wirklich gut geworden…“ In scheinbaren Komplimenten versteckte Spitzen und Beleidigungen sind eine beliebte Methode, um Kritik zu äußern oder Wut versteckt zum Ausdruck zu bringen. Eigentlich heißt ein solcher Satz nur „Das ist Mist, aber mehr habe ich von dir auch nicht erwartet.“

„Nein, es ist nichts…“
Der Klassiker auf die Frage: Hast du was? Passiv-aggressive Menschen sagen es zwar nicht offen, lassen es den anderen aber umso stärker spüren.

„Wir machen es einfach so, wie du es vorgeschlagen hast…“ Wer hier denkt, er hätte einen Erfolg errungen und sich tatsächlich durchgesetzt, irrt leider gewaltig. Wie so viele Formulierungen bedeutet auch diese eigentlich das genaue Gegenteil und selbst wenn zunächst die Variante verfolgt wird, wartet der passiv-aggressive nur darauf, einen Fehler zu finden und zu brüllen: Ich hab doch gleich gesagt, dass kann nicht klappen…

„Ich kann mich auch darum kümmern…“
Diese Formulierung fällt besonders gerne in dem Moment, wenn sich jemand anders bereits an die Arbeit gemacht hat. Ein vorgetäuschtes Ach, das hätte ich doch auch machen können kann andere komplett auf die Palme treiben.

So. Jetzt mal Butter bei die Fische: Sind das Beobachtungen? Also Beobachtungen im Sinne der GFK? Wahrscheinlich nicht so ganz, denn die Interpretation wird ja gleich mit geliefert. Und wie gehe ich jetzt damit um, wenn jemand so reagiert? „Ist doch jetzt auch egal“ kenne ich ziemlich gut. Auch „das verstehst du einfach nicht …“ oder eben „Wir machen es einfach so, wie du es vorgeschlagen hast…“
Wie geht es mir, wenn ich das höre? Ich bin hilflos. Frustriert. Genervt. Verzweifelt.
Unerfüllte Bedürfnisse: Verbindung! In erster Linie Verbindung. Wenn es um Arbeitszusammenhänge geht, auch um „an einem Strang ziehen“ oder „in die gleiche Richtung gucken“, also so was wie Gemeinschaft. Mir fehlen auch Klarheit und Offenheit/Transparenz. Mein Gegenüber ist als Person überhaupt nicht sichtbar. Ich laufe gegen eine Gummiwand. Sehr unerfreulich.
Habt Ihr Ideen, wie man auf so ein Verhalten giraffisch reagieren kann? Ich bin im Moment noch ganz banal bei Selbstempathie und Empathie.

So long!

Ysabelle

Wagst du Widerworte?

Hallo, Welt!
Ich war mit Fontane auf Abendrunde und traf am Hafen auf einen Mann, mit dem ich vor über 20 Jahren mal kurzzeitig verbandelt war. Er begrüßte uns und sagte dann: „Endlich hast du mal einen, den du verwöhnen kannst und der keine Widerworte gibt …“
Das ist jetzt eine Stunde her und ich bin noch immer total verstört. Da hat der Herr aber bei mir einen großen Knopf gedrückt.

Der Duden schreibt dazu:

Rechtschreibungℹ
Worttrennung: Wi|der|wort
Beispiel: Widerworte geben
Bedeutungsübersichtℹ
ein gegen etwas gerichtetes Wort; Widerspruch
Beispiel
keine Widerworte!
Synonyme zu Widerwortℹ
Aber, Einspruch, Einwand, Einwendung, Gegenrede, Protest, Widerrede

Mich schickte die Aussage sofort auf eine Zeitreise. Zum einen überprüfte ein ängstlicher Teil, ob ich diesem Mann denn damals, 1996, womöglich Widerworte gegeben hatte. Und ein rebellischer Teil dachte, „tja, Frauen mit eigener Meinung bist du nicht gewohnt“.
Zum Glück musste ich das nicht austragen, sondern konnte mit meinem vierbeinigen Verlobten weiter ziehen.
Aber auf dem Rückweg ratterte es noch immer in meinem Kopf. Widerworte. Das wurde in meiner Ursprungsfamilie nicht selten mit Schlägen quittiert.
Zu Hause angekommen, ließ mich diese kurze Episode nicht los.
Widerworte. Wieso hat dieses Wort so einen speziellen Geschmack für mich? Es löst ganz andere Gefühle aus als „Einwand“ oder „Einspruch“. Widerworte implizieren, als hätte der andere Recht und wider besseres Wissen sage ich etwas anderes. Das Wort wird ausgeliefert mit den Urteilen „frech“, „impertinent“ und „aufsässig“, Etiketten, mit denen ich auch gern belegt wurde.
Widerworte sind also verboten. Sie sind unangemessen. Sie stehen mir nicht zu. Weil andere Leute Recht haben. Oder weil ich nicht das Recht habe, eine andere Meinung zu haben. So gesehen war meine Kindheit eine einzige Protestnote.
Zwei unterschiedliche Impulse konnte ich also bei mir feststellen, als der Mann diesen Satz aussprach. Zum einen wurden Angst und Scham ausgelöst, zum anderen Ärger und Wut. Und unter dieser Wut liegt keine Trauer, (wohl aber vielleicht Schmerz), sondern etwas Kraftvolles. Vielleicht gibt es da eine Verbindung zur Freude: Freude daran, dass ich selbst denken kann. Freude am meinem Widerspruchsgeist (dieses Wort löst eher Wohlbehagen aus, ich verbinde es mit Pipi-Langstrumpf-Energie). Freude daran, dass ich Dinge nicht ungefragt übernehme. Ermutigt wurde ich dazu nicht.
Gerade in den letzten Tagen hatte ich es mit einer konfliktgeladenen Situation zu tun. Es ist mir so wichtig, einen Weg jenseits von Richtig und Falsch zu finden. Ich will nicht auf eine Schiene, die zu Schuldzuweisungen und persönlicher Kritik führt. Und gleichzeitig steht mir diese verdammte Harmoniesucht – oder die Angst vor Konflikten – im Weg, für mich selbst einzutreten. Meine Berliner Kollegin Sangha hat versucht, mich ein bisschen zu coachen, und sie ermutigt mich, auch meine eigenen Interessen im Blick zu haben, ja für MICH an die erste Stelle zu setzen. Wenn ich mir das vorstelle, kommt sofort ein innerer Widerspruch: Das kannst du nicht machen. Das geht doch nicht. Nimm dich nicht so wichtig … was bildest du dir ein …
… und dann werde ich ganz traurig.
Ich glaube, die haben mir doch die Widerworte ganz gut ausgetrieben. Schade eigentlich.

So long!
Ysabelle

Willst du Recht haben …

Hallo, Welt!
Dieses Thema wird mich wohl bis ans Sterbebett begleiten. Gerade habe ich wieder so eine Situation erlebt und ich wüsste zu gern, was dahinter steckt.

Fontane ist Donnerstag operiert worden und es scheint, dass alles gut gegangen ist.
Eine Freundin hat mich zur Tierklinik begleitet und war sowieso in den vergangenen Wochen eine große Stütze für mich.
Schon im Wartezimmer hatten wir einige Aha-Erlebnisse mit anderen Hundehaltern, zwischen uns reichte ein Blick zur Verständigung. Dann kam die OP-Vorbereitung und schließlich traf der Professor ein, der Fontane dann operiert hat. Schon beim ersten Treffen fand ich ihn ja sehr sympathisch und zugewandt. Dieser Eindruck bestätigte sich auch dieses Mal. Er nahm sich Zeit, alle Fragen zu beantworten. Ich hätte mir lediglich von ihm den Hinweis gewünscht, dass er das minimalinvasiv operiert. Das konnte ich mir nämlich nicht vorstellen und erwartete jetzt einen invaliden Hund mit Riesen-Op-Narbe am Bauch. Pustekuchen. Drei kleine Schlitze in einem rasierten Umfeld, das war’s. Und Fontane wirkt agil wie zuvor und pinkelt erstklassig. Nur transportieren lässt er sich gerade schwer. Und die Tüte hasst er wie die Pest. (Einen geliehenen Kragen hat er bereits untauglich gemacht.)
Bei der Vorbesprechung hatten wir auch über Kastration geredet. Mein Haustierarzt befürwortete diesen Schnitt. Auf jeden Fall sollte der Hoden, den wir in der Bauchhöhle vermuteten, entfernt werden. Der Professor war auch der Ansicht, dass der nicht abgestiegene Hoden entfernt werden sollte, den anderen wollte er aber belassen. Ich „hörte“, es wäre besser für das Gewebe, und dichtete in meinem Kopf die Informationen dazu, die ich anderweitig aufgepickt hatte, nämlich dass eine Entfernung beider Hoden durch den veränderten Hormonhaushalt zu einer Schwächung des (bei Fontane ohnehin schon schwachen) Gewebes führen würde, und das wollen wir doch vermeiden.
Meine Freundin erwähnte dann in der Wartezeit, das sei ja eine interessante Information vom Professor gewesen, dass er den zweiten (intakten) Hoden nicht entfernen wolle, weil es an der Stelle nicht gut sei zu schneiden.

Ich war total perplex.
Das hatte doch der Professor gar nicht gesagt?! Mit letzter Kraft konnte ich dem Versuch widerstehen, gegen an zu argumentieren. (Schreibt man das so? Der Duden liefert mir dazu nichts). Meine Freundin sagte dann noch, „ich habe sehr genau zugehört, das kam im dritten Nachsatz, da warst Du wahrscheinlich … (mit anderen Aspekten beschäftigt/von deinen Gefühlen überwältigt, irgendwas in der Art).

Da war ich dann sauer, denn ich bilde mir viel auch meine Zuhör-Kompetenz ein. Und zu „hören“, „ich höre besser zu als du“, ging ja mal gar nicht.
Es gelang mir in dieser Situation, einfach mal die Klappe zu halten, aber die Sache ließ mich nicht los. Meine Gedanken kehrten immer wieder zu diesem Gesprächsfetzen zurück. Als ich Fontane Freitagnachmittag abgeholt habe, gab es ein Abschlussgespräch mit einer jungen Ärztin und ich konnte es mir nicht verkneifen noch mal nachzufragen. Sie konnte die Frage nicht beantworten, verwies mich an den Professor. Mein Drängeln brachte sie dann aber doch zu der Aussage, das könne sie sich nicht vorstellen, warum man in „diesem“ Gewebe keinen Schnitt machen könne oder solle. Ha! Ich hatte Recht.

Mittlerweile beschäftigt mich dieser alberne Gesprächsfetzen schon den dritten Tag. Zum Glück muss ich das nicht mit meiner Freundin austragen. Das erlebe ich schon mal als großen Fortschritt. Aber warum schüttelt mich diese kleine Situation so sehr?
Wie waren denn meine Gefühle, als meine Freundin ihre Sicht beschrieb?
Verwirrt, irritiert, durcheinander, angespannt.
Unerfüllte Bedürfnisse: Sicherheit, Selbstvertrauen (kann ich dem glauben, was ich „gehört“ habe?), Verbindung, Augenhöhe. Oh ja. Ich habe aus der Aussage meiner Freundin rausgehört, ich wäre ja das Dummerchen, und sie hätte gut aufgepasst und könne mir jetzt mal die Welt erklären.
Also ging es auch um Respekt, Wertschätzung und Anerkennung. Und Shared reality. Gemeinsame Realität. Du nimmst das gleiche wahr wie ich. Also auch so was wie Harmonie.
Puh.
Ich merke gerade, wie der Druck rausgeht. Es tut mir gut zu wissen, warum mich diese Szene so gebeutelt hat. Meine Freundin hat nahezu null GFK-Erfahrung und gleichzeitig erlebe ich sie als sehr unterstützend und hilfsbereit. Wenn dann in diesem schützenden Kokon was Unerwartetes (Nicht-GFK) passiert, wirft mich das anscheinend total aus der Bahn. Das habe ich tatsächlich in Verbindung mit ihr schon mehrfach erlebt. Zum Beispiel reagierte sie heute Morgen mit „Trost“, und für mich wäre Einfühlung top gewesen. Für mich geht es halt ohne GFK nicht mehr.
Ist doch schön, das alles rausgefunden zu haben.
War für Euch was dabei?

So long!
Ysabelle

Sterntaler, die dritte …

Hallo, Welt!
Dieser Tage ist mir mal wieder die Sterntaler-Lektion über den Weg gelaufen. Ich habe das Thema ja bereits 2011 und im Juni 2012 hier thematisiert. Und immer wieder holt es mich ein.
Zur Erinnerung hier das Märchen vom Sterntaler, für alle, die es nicht sofort auf Abruf haben.

Die Sterntaler
Es war einmal ein kleines Mädchen, dem waren Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte.

Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „Ach, gib mir etwas zu Essen, ich bin so hungrig.“ Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: „Gott segne dir’s“, und ging weiter. Da kam ein Kind das jammerte und sprach: „Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich es bedecken kann.“ Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror, da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: ‚Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben‘, und gab es auch noch hin.

Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und es waren lauter harte, blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war von allerfeinstem Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.

Ein Märchen der Gebrüder Grimm

In 2012 und 2013 habe ich mal sehr viel Energie in das Projekt gesteckt, das eine befreundete Trainerin ins Leben gerufen hat. Eigentlich kreiste all mein Tun nur noch um dieses Projekt. Gefühlt habe ich Tonnen Papier generiert und Themen recherchiert, die boomerang-mäßig tatsächlich bei der Kollegin bis heute wieder aufschlagen.
Ich hatte es gemacht mit dem Hintergedanken, wenn ich mich hier ganz doll nützlich mache, wird mich die Kollegin zunächst als Assistentin und dann vielleicht irgendwann als Teilhaberin oder ähnliches in ihr funktionierendes Unternehmen aufnehmen. GESAGT habe ich allerdings nichts. Und als das Projekt dann irgendwann nur noch dümpelte und schließlich strandete, war das alles „umsonst“. Ich glaube, ich habe der Kollegin erst 2015 gesagt, warum ich mich 2012 so reingekniet hatte, und sie war sehr betroffen. Ich glaube, das hätte sie gern früher gewusst, um es in ihre eigenen Überlegungen einbeziehen zu können.

Aktuell habe ich den Auftrag übernommen, für eine GFK-Organisation gegen Entgelt für ein bestimmtes Projekt die Pressearbeit zu machen. Es gibt eine sehr klare Auftragsbeschreibung und ein vereinbartes Honorar.
Nun ruft Person X an und sagt, „du, da ist mal dieses Thema, kannst du mal einen Blick drauf werfen?“. Dann meldet sich Person Y, „könntest du zu dieser Veranstaltung eventuell was mitnehmen?“ Dann meldet sich wieder Person X: „ich habe da ein Unbehagen mit dieser Sache, ich hätte gern deine Meinung dazu.“
Das ist alles ganz wunderbar. Es erfüllt mir die Bedürfnisse nach Gesehen und Gehört werden, Beteiligung, Gemeinschaft und Beitragen. Mein altes Muster wäre, das alles „aus Liebe“ zu machen und zu hoffen, dass hinterher mal einer sagt, „na, du hast ja auch so viel außer der Reihe gemacht, da erhöhen wir mal dein Honorar.“

In der vergangenen Woche habe ich dann mal allen Mut zusammengenommen und habe in einem Telefonat gesagt,ich möchte nicht nur, dass mein Einsatz an dieser Stelle gesehen wird, sondern auch honoriert.

Boah … ich war fast überwältigt von Scham, verbunden mit einer Prise Angst. Dabei nahm der Auftraggeber am anderen Ende meine Aussage sehr freundlich auf, es gab also gar keine Protestnote oder ähnliches. Dann erreichte mich eine Mail:

im Nachgang zu unserem Gespräch kommt bei mir die praktische Seite durch.

Wenn es um einen Ausgleich von Geben und Nehmen geht, mag ich immer eine halbwegs belastbare Beurteilungsgrundlage haben.

Sprich: Ich fände es gut, wenn du deine Mehrarbeit (in etwa) stundenmäßig mit Tätigkeit nachhältst, damit wir das gemeinsam dann anschauen.

Ende April und Ende Mai würde ich das jeweils mit dir kurz besprechen wollen und dann im Juli „abrechnen“.

Wie findest du meinen Vorschlag?

Und jetzt passiert was ganz Spannendes.
Mein Kopf wird leer. Ich kriege absolut nicht zu Papier (in eine Datei), was ich bisher außer der Reihe gemacht habe und wie viel Zeit das in Anspruch genommen hat.
Ich vermute, das ist ein Schutzmechanismus, um nicht wieder mit dieser überwältigenden Scham konfrontiert zu sein. Mal gucken, wie ich diese Kurve jetzt kriege. Also, erst mal lege ich ein Dokument an, da steht mal drauf, außer-vereinbarte Leistungen. Oder so ähnlich. Mal gucken, ob da auch Buchstaben drauf kommen.

So long!

Ysabelle

Wo ist meine Schaufel?

Hallo, Welt!
Wisst Ihr, was ein Verbausystem ist? Ich weiß es seit zwei Minuten, denn ich habe mal gegoogelt, wie man diese Dinger hier nennt. Das ist leider nicht das weltbeste Foto dazu, es geht um diese beiden halb vergrabenen Metallplatten im Hintergrund, die durch Stangen voneinander getrennt sind. Normalerweise stecken diese Abstandshalter in Tiefbaustellen und sorgen dafür, dass kein Sand/Erdreich nachrutscht und man sicher in der Mitte arbeiten kann. Vermutlich wird auch die Umgegend dadurch gesichert, damit es nicht zu solchen Situationen wie dem Einbruch der U-Bahnbaustelle in Köln 2009 kommt, als das ganze Stadtarchiv abstürzte. Aber ich bin da technischer Laie und reime mir da einfach was zusammen.

Äh – worum geht es eigentlich?

Ich möchte heute mal über die süße Last der Selbstständigkeit jammern. Heute Morgen sprach ich mit einer Kollegin, die eine Bitte an mich hatte, und erwähnte dabei, wie ich es erlebt habe, noch angestellt zu sein. Die Angestellten-Struktur war wie das Einsteigen in so ein Verbausystem. Wasser und Trümmer von außen wurden weitgehend ferngehalten. Ich krabbelte also morgens rein in den Schacht, schaufelte schön den ganzen Tag, und abends krabbelte ich wieder raus. In der verbleibenden Restzeit wurde dann Wäsche gewaschen, das Haus geputzt, Briefe geschrieben, Kontoauszüge sortiert, Socken gestrickt oder der Schuppen aufgeräumt. Mein Leben hatte eine sehr gerade, klare Struktur. Erst die Arbeit, und dann …
Tatsächlich habe ich das auch sehr genossen, zumal ich eine Arbeit hatte, die mir 30 Jahre viel Freude gemacht hat. Mit allerlei Lästigkeiten musste ich mich nicht befassen. Fenster putzen zum Beispiel. Das war nun wirklich auf der Prioriätenliste ganz weit unten. Die Einteilung in „Arbeit“ im Sinne von bezahlter Werktätigkeit und „Freizeit“ (ha!) schenkte mir nicht nur Klarheit und Struktur, sondern auch Leichtigkeit und eine gefühlte Freiheit, bestimmte Dinge eben nicht machen zu müssen. Ich ging ja arbeiten, wer wollte da erwarten, dass ich auf meinen Schränken wische …

Seit ziemlich genau einem Jahr setze ich nun voll auf die Selbstständigkeit, auch wenn ich noch einen Tag in der Woche unterrichte. Und ich merke täglich, dass ich um eine lebbare Struktur kämpfe. Auf einmal sind so viele Bedürfnisse lebendig, die vorher alle kanalisiert waren. Arbeit ./. Freizeit. Und jetzt stellt sich diese Frage mit jedem Handgriff neu. Eben noch die Presseerklärung schreiben oder erst die Wäsche aufhängen? Noch schnell die Geschäftsmail beantworten (abends um halb elf …), oder einfach durchs Fernsehprogramm zappen? Als erstes duschen, oder als erstes die Post angucken? Ich merke deutlich, wie unzufrieden ich mit diesem Dasein als Flipperkugel bin. Es ist ja interessant, sich ständig von seinen Bedürfnissen leiten zu lassen – oder die des Hundes, der gerade JETZT raus muss, wo ich endlich im Flow bin – aber effizient ist es nicht. Jedenfalls nicht in einer Weise, wie ich es genießen würde.
Was also tun? Ich könnte zum Beispiel beschließen, künftig morgens ins 25 km entfernte Büro zu fahren und dort zu arbeiten. „Och nöööööö“, sagt es in mir. Alles, was ich dazu brauche, ist doch hier zu Hause in meinem Studio (Büro). Mich selbst irgendwie verpflichten, von 10-13 Uhr und von 14.30-17.00 Kernarbeitszeit vor dem Rechner zu sitzen? Hey, habt Ihr mal rausgeguckt? Die Sonne scheint, es ist Frühling! Und jetzt erreiche ich bei Firma XY sowieso keinen, da ist Mittagspause … Ich finde immer eine Ausrede, warum das nicht klappt. Auch mein Versuch, mich morgens mit Kollegen zum Check-in zu verabreden, hat auf lange Sicht nicht hingehauen. Wir haben tatsächlich einfach nur gequatscht und dabei noch mehr Zeit verbrannt. Hey, Ihr Selbstständigen da draußen, wie bringt Ihr Eure verschiedenen Bedürfnisse unter einen Hut? Ich hätte gern ein kleines Verbausystem in meinem Leben, am besten mit einer großzügigen Treppe zum Ein- und Aussteigen. Habt Ihr dafür eine Bestelladresse?

So long!

Ysabelle

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