Ich hätte gern ein Paar Giraffenohren!

Unterwegs mit gewaltfreier Kommunikation – von Ysabelle Wolfe

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben …

Hallo, Welt!
Bis 21.15 Uhr war ich nahezu euphorisch: Tag 1 ohne Pinkelei in der Bude. Eben brachte ich meinen Teller zur Spülmaschine … dann war es wieder Zeit für Wischtücher und Küchenpapier. Ok, ich feiere, dass wir von 10 Pinkeleien jetzt schon drei Tage runter sind auf eine. Und diese eine findet jeweils abends statt. Diese gerade nach einem 45-Minuten-Spaziergang. Ich muss das nicht verstehen.
Der Tag begann mit einem ausführlichen Marsch und endete auch so. Besondere Begeisterung löste bei Fontane fontane16_1003 das Skelett eines mittelgroßen Wirbeltiers aus, das er heute Morgen entdeckte. Normalerweise kommt er schon recht zuverlässig, wenn ich ihn rufe. Auf einer großen menschenleeren Anlage nahe dem Hafen habe ich ihn heute Morgen frei laufen lassen, obwohl das dort nicht erlaubt ist. Drei Mal kam er zurück, beim vierten Mal bewegte er sich überhaupt nicht vom Platz. Ich dachte auf Entfernung, er würde buddeln, aber nein, er hatte ein halbes Skelett im Maul *schüttel_grusel*. Ich bin kein Biologe, es hätte von einem großen Hasen oder von einem Lamm sein können. Jedenfalls habe ich es nur mit Gewalt aus Fontanes Schnauze gerissen bekommen. Das war echt ein schwerer Moment für mich.

Nahezu jeden Tag bin ich aufs Neue damit konfrontiert, dass Gewaltfreiheit eine Haltung ist. Heute bekam ich eine längere Info zum Thema Welpenerziehung. Es ging um Fontanes Wurfbruder. Unglaublich, wie anders er aufwächst. 20 Minuten Strafsitzen im Käfig, eingesperrt werden, wenn er was falsch gemacht hat wie Anspringen (oder Bellen). Bei fast jedem Gassigehen treffe ich auf Hunde, die „herkömmlich“ gehalten werden. Heute wollte ein junger Staffordshire Terrier mit Fontane spielen. Ich hatte echt Angst. Was für ein Kraftpaket! Das Frauchen musste sich ganz schön in die Leine legen, um ihn zu drosseln. Ich versuche mit allen Hundehaltern, auch mit denen, die Teletakt-Halsbänder benutzen oder ständig mit ihren Hunden schimpfen, empathisch umzugehen. Vor allem versuche ich, mit meinem Hund empathisch umzugehen. Und wenn ich merke, ich habe keine Kraft, sondern werde harsch und ungeduldig, dann nehme ich mir eine Auszeit. Tatsächlich lerne ich, mit mir empathisch umzugehen. Das ist ja mal was Neues!

Tatsächlich hilft es mir, die Gefühle und Bedürfnisse meines Hundes zu vermuten. Eigentlich ganz unspektakulär, oder? Bei Tieren scheint das noch krass-ungewöhnlicher zu sein als bei Menschen. Eine Bekannte erzählte mir heute Morgen, ihr Lebensgefährte habe die Krankheit Mukoviszidose und solle regelmäßig mit Sole/Salzwasser inhalieren. Es treibe sie in den Wahnsinn, dass er das nicht tue. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, mit dem Partner zu empathisieren. Dieser Umgang mit der eigenen Gesundheit war ihr total fremd und sie war schwerst genervt und hilflos. Wie soll man auch erwarten, dass Menschen, die mit sich und anderen eher tough umgehen, mit einem Hund empathisch sind? Na, kann ja noch kommen.

So long!
Ysabelle

Unterwegs

Hallo, Welt!
Ich bin ein Morgenmuffel. Ich funktioniere, aber ich bin nicht besonders gesprächig und vor dem ersten halben Liter Kaffee ist mit mir nichts anzufangen. Trotzdem habe ich keine Probleme, früh morgens mit Fontane rauszugehen. Morgens ist dafür sogar meine liebste Zeit, wenn alles noch so still und „natürlich“ erscheint.
morgenstimmung
Auf unserer Morgenrunde begegnete uns heute ein Mann mit seinem Hund. Ich ordnete ihn gedanklich unter „Kampfhund“ ein. Gerade suchte ich mit diesem Begriff nach einem Foto, um die Rasse benennen zu können, und fand unter den einschlägigen Label-Fotos von Stafford-Terriern und Bull Mastiff nichts, was auch nur annähernd so aussah. Was also macht für mich einen Hund zum Kampfhund? Er war etwa so groß wie ein Boxer, hatte einen gedrungenen Körperbau und eine breite Schnauze, die sehr kräftig auf mich wirkte. Der Anblick des Hundes an der Leine löste bei mir Unbehagen und Besorgnis aus.

Anscheinend zeigte diese Hündin – sie trug ein Geschirr mit der Aufschrift „Mama“ – Interesse an uns und zerrte an der Leine. Da holte der mutmaßliche Besitzer aus und zog ihr mit dem Ende der Leine einen Schlag über den Körper. Alle meine Spiegelneuronen liefen Amok.

Am Fahrradladen blieb ich vor einem schicken Lastenrad stehen und einer der Mitarbeiter kam raus und beantwortete meine Frage. Gegenüber war der „Kampfhund“ an einem Laternenpfahl vor KIK festgemacht. Plötzlich hörte ich ein Fiepen und sah, wie eine Frau mit ihrem Hund einen Satz Richtung Strasse machte. Anscheinend hatte „Mama“ mal kurz die eigene Sicherheitszone verteidigt, genau so aggressiv, wie sie auch behandelt wurde. Mir erschien es nur logisch, dass der Hund um sich biss. Wenn man mich schlagen würde, würde ich auch nicht schmusen und spielen wollen.

Hilflosigkeit und Ohnmacht sind bei dem Gedanken an diese Situation ganz vorn. Ich möchte nicht, dass jemand geschlagen wird. Kein Hund, kein Mensch.

Mitte der Woche raste ich noch kurz vor Feierabend zur Post, Fontane an der Leine. Ich bin echt so stolz auf ihn! Was er inzwischen schon alles kann mit seinen 15 Wochen! Als wir den Zebrastreifen überquerten, sah ich vor mir eine Konstellation, die mir auffiel. Ein Mann, ein oder mehrere Kinder, eventuell eins im Kinderwagen, ich erinnere mich nicht genau, dabei eine Frau, älter als der Mann. Und etwa fünf Meter weiter die Straße rein stand eine weitere Frau und redete auf ein weiteres Kind ein. Ihre Körperhaltung wirkte auf mich bedrohlich, sie hob die Hand zum Schlagen, ich hörte sie schimpfen, konnte aber die Worte nicht verstehen. Über den Zebrastreifen lief ich direkt auf sie zu und starrte sie an, vermutlich mit offenem Mund. In meinem Kopf ratterte es. Augenscheinlich verhielt sich dieses eine Kind nicht so, wie die Erwachsenen es erwarteten. Vielleicht hatte es schon länger unterwegs Streit gegeben. Und jetzt wurde das Mädchen eingenordet.

Ich hatte den Eindruck, der Frau war es unangenehm, beobachtet zu werden. Warum sonst war sie weiter in die Seitenstraße hineingegangen? Und die beiden anderen Erwachsenen – warum standen sie abseits, während auf das Mädchen das Strafgericht zukam? Billigten sie die Maßnahme?

Was sollte ich tun? Ich erinnerte mich an eine vergleichbare Situation, die ich einmal in Kiel auf dem Weihnachtsmarkt erlebt hatte, und wo es mir nicht gelungen war, mit den mutmaßlichen Eltern in Kontakt zu kommen. Ich tröstete mich damit, dass die Frau anscheinend inne gehalten hatte, als sie meinen Blick sah. Ich dachte, anscheinend weiß sie, dass es nicht ok ist, das Kind zu schlagen, sonst würde sie nicht in die Seitenstraße gehen, sondern könnte das ja gleich am Zebrastreifen erledigen. Und dann flitzte ich weiter zur Post. Traurig, hilflos, ohnmächtig. Was muss passieren, damit Eltern nicht mehr schlagen, nicht mehr drohen, nicht mehr schreien? Ich merke es am Umgang mit dem Hund: Ich brauche Verbindung mit mir. Und das fällt mir heute viel leichter als vor 30 Jahren, als ich versuchte, meinen Sohn zu „erziehen“. Da gab es keine Sicherung, kein Stop-Signal, keine Selbstverbindung. Das wurde ganz schnell zur Existenzfrage: Er oder ich. Ich kann gar nicht beschreiben, wie dankbar ich Marshall Rosenberg für die Gewaltfreie Kommunikation bin, die dazu beiträgt, dass ich mit meinem einfühlsamen Selbst verbunden sein kann.

So long!

Ysabelle

Spaziergang zu viert

Hallo, Welt!
Fontane geht es nicht gut, ich bin gefühlt täglich beim Tierarzt und komme zu nichts anderem. Heute Morgen hat er so RICHTIG angezeigt, dass er mal raus muss. Ich war so gerührt, mir standen die Tränen in den Augen. Endlich ein Hoffnungsschimmer. Die Urinuntersuchung hat ergeben, dass er E. coli-Bakterien im Harn hat. Die gehören da nicht hin. Und dann sind die auch noch hämolysierend, was auch nicht begeistert. Dazu hat er Fieber. Jetzt wird auch noch sein Kot untersucht. Die ersten Vorabergebnisse besagten, dass er Schafscheiße gefressen hat. Das wusste ich.

Dieser Tage war ich mit meiner Freundin und ihrer Senioren-Hündin sowie Fontane an einem Flüsschen hier in der Nachbarschaft spazieren. Ich hatte gedacht, es wäre eine ruhige Gegend und wir könnten die Hunde frei laufen lassen, doch anscheinend hatten auch andere Hundebesitzer diesen Gedanken. Meine Freundin ist um ihre Hündin sehr besorgt, denn diese hat Krebs und noch dazu Probleme mit der Schilddrüse. Und wenn sie sich aufregt, ist sie schwer zu halten. In der Fürsorge für diesen Hund ist meine Freundin in den letzten Jahren eine absolute Expertin in Sachen Hundeerziehung und Verständnis geworden und ich habe schon oft erlebt, dass sie ständig die Umgebung abscannt, um mögliche Aufreger zu entdecken, die ihre Hündin in Wallung bringen könnten. Um das zu vermeiden, geht sie normalerweise keinen der üblichen Spazierwege.

Auch jetzt kam es zu mehreren Begegnungen mit anderen Hundehaltern und ich nahm es so wahr, dass meine Freundin zunehmend gestresst reagierte. Schließlich kam uns auf dem Feldweg eine Frau auf dem Fahrrad entgegen, neben ihr lief ein Hund von Boxergröße. Meine Freundin rief ihr zu: „Nehmen Sie bitte Ihren Hund an die Leine!“ Die Frau verständigte sich mit ihrem Hund und die beiden passierten uns in ca. 1,5 m. Abstand – ohne Leine.
Meine Freundin war sehr aufgebracht und fand das Verhalten der Radlerin sehr verletzend und rücksichtslos. Ich begann ihr Einfühlung zu geben und erfuhr, dass sie dieses Verhalten geradezu als Angriff auf ihren eigenen persönlichen Raum wahrnahm. Als übergriffig, respektlos, rücksichtlos, unverantwortlich.

Ich wunderte mich still. Nichts dergleichen war in meinem Kopf.
Nach einer Weile kehrten wir um, wollten zum Auto zurück gehen. Von weitem sahen wir schließlich die Radlerin zurückkommen. Diesmal war ihr Hund an der Leine. Trotzdem wirkte meine Freundin extrem angespannt, und als die Frau an uns vorbei fuhr, reagierte unsere Hündin, bellte laut, riss meine – durchaus gewichtige – Freundin beinahe um und sprang der Radlerin nach. Frauchen konnte sie wirklich nur mit äußerster Kraft halten. Als die Fahrrad-Fahrerin etwa 20 Meter entfernt war, rief sie uns – nicht wirklich unfreundlich – noch zu, „Sie sollten mal überlegen, damit tun Sie Ihrem Hund doch keinen Gefallen …!“

Meine Freundin hatte sich zwei Fingernägel abgebrochen bei dem heftigen Ruck, den ihre Hündin in der Leine gemacht hatte. Sie atmete schwer, war sehr aufgewühlt. Ich versuchte wieder mit ihr Verbindung aufzubauen.

Aufgewühlt, besorgt, voller Angst um ihre Hündin, dramatische Erfahrungen, was ihren eigenen Raum anging … so nach und nach wurde sie ruhiger und dann liefen plötzlich die Tränen. Da war sie, die überwältigende Angst, dass ihrer Hündin etwas passieren könnte, dass diese aufgrund der schweren Erkrankungen vielleicht vor Aufregung plötzlich einen Herzstillstand haben könnte, dass sie selbst die Hündin vielleicht nicht halten können würde, und dann hieße es plötzlich, ihr Hund jage Radfahrer, böswillig … Da war so viel Schmerz und so viel Verzweiflung … und plötzlich auch wieder ein gewisses Verständnis für die Frau auf dem Fahrrad. „Die hat das genau so gemacht, wie man das im Schäferhundverein lernt …“

Zwei weitere Begegnungen, eine mit einem weiteren Radler und eine mit einem Hundebesitzer verliefen – ich sag mal geordnet. Im Auto habe ich versucht zusammenzufassen, was ich gesehen und erlebt habe und habe noch einmal dazu eingeladen, meine Freundin möge die Sorge um ihren Hund gern wieder und wieder benennen, statt sie runterzudrücken. Mit schiefem Grinsen meinte sie, „ich habe noch viel zu lernen …“

Ich auch.
Zum Beispiel schneller zu sein als mein Hund. Gerade hat er den Kopierer angepinkelt. Das ist der Hauptgrund, warum ich nicht richtig zum Schreiben komme. Geschichten erlebe ich jeden Tag ohne Ende. Und alle haben irgendetwas mit Gewalt zu tun. Meine Wahrnehmung dafür scheint mit jedem Tag schärfer zu werden.

So long!

Ysabelle

Bitte pinkeln Sie jetzt …

Hallo, Welt!
Nach diversen Gesprächen im Verlauf der Woche habe ich den Tierarzt kontaktiert und noch einmal meine Besorgnis in Sachen „Stubenrein“ zum Ausdruck gebracht. Antwort: Wir brauchen eine Urinprobe.
Das war schon beim ersten Mal problematisch. Wie kann man denn von einem Wildpinkler eine Urinprobe einsammeln? Der Tierarzt sagt mit breitem Grinsen, „ich bin sicher, du schaffst das …“.

Zwei Stunden später hat er ein bisschen Pipi, das ich mit der Spritze aufgesogen habe, als Fontane schräg unter den Drucker gepieselt hatte. *seufz*

Die Probe ist verunreinigt und gibt lediglich her, dass Leukozyten im Urin sind und erhöhte Nitratwerte. Außerdem stinkt sie nach Fisch, sagt der Tierarzt am Telefon.
„Er hatte einen Fischzopf als Leckerli“.
„Den lass mal weg!“

Als der Hund in den ersten Abendschlaf fiel, habe ich mich mit einer Suppenkelle und einem verschließbaren Joghurtbecher im Innenhof eingerichtet.
Um 23 Uhr habe ich den schlafenden Hund nach unten getragen und dort abgesetzt. Er taumelte kurz um sich dann zum Pinkeln in Position zu stellen. Heureka, meine Chance! Zack! Die Suppenkelle unter den Bauch gehalten, das Pinkeln gelobt, den Inhalt der Suppenkelle in den Joghurtbecher gefüllt, verschlossen. Den Hund geschnappt und wieder nach oben getragen. Erstmals war in dieser Nacht sein Bett trocken. Und die Urinprobe morgens um acht beim Tierarzt.
Der hatte natürlich wieder was zu meckern … Joghurtbecher … nicht steril … Tja, Jungs, nehmt was Ihr kriegen könnt!
Der Schnelltest bestätigte dann die Diagnose vom Vorabend. Und damit gab es auch das Aus für die nachmittagliche Spielstunde in der Welpenschule. Stattdessen bin ich mit meiner Enkeltochter und Fontane Eis essen gegangen.

Ein Wunder! Während wir an unserem Eis löffelten, machte der Hund plötzlich „fiep“ und eine ziehende Bewegung Richtung Tür. Halleluja, ich habe es gleich richtig interpretiert, hab Enkeltochter mit dickem Portemonnaie am Tisch sitzen lassen und bin mit dem Hund zum nächsten Grasbüschel auf der Straße gesprintet. Ein Piesch, ein Piesch! Das hätte ich mir vor zwei Monaten nicht vorstellen können, dass ich mich so darüber freue.

In mehreren Gesprächen in dieser Woche habe ich noch einmal angeguckt, wieso mich diese Situation so an den Rand einer Depression bringt. Alle alten Gespenster stehen wieder auf. „Ich kann das nicht. Ich schaff das nicht. Ich kriege nichts auf die Reihe. Alle anderen Hunde (Kinder) sind schon viel weiter als meins, weil ich alles falsch mache …“ Ich docke nahtlos an meine Wochenbett-Depression an. Nach 34 Jahren! Und eine Freundin meinte gestern Morgen voller Wärme: Na, das ist ja auch dein erstes Kind seit 34 Jahren …

Jedenfalls bin ich erleichtert, dass es einen medizinischen Grund für sein Pinkelverhalten gibt. Näheres erfahren wir, wenn die Laborwerte Mitte nächster Woche kommen. Außerdem hatte ich gestern einen Anruf eines Unternehmens, für das ich schon zwei Mal gearbeitet habe. Man wolle mich wieder einkaufen. Ganz ehrlich: Das hat meine Stimmung erst recht gehoben!

So long!

Ysabelle

Minenfeld

Hallo, Welt!
Mein Hund ist so wenig normal wie ich. Und ich habe für meinen eigenen Geschmack zu wenig Ahnung von Hunden, obwohl ich als Studentin einen Cocker Spaniel aus dem Tierheim hatte und mit ihm fünf Jahre gelebt habe. Was liegt also näher als fachkundige Unterstützung zu suchen?
Und dann geht es los. Die gängigsten Urteile:
Hundesportverein (Schäferhundverein): Veraltete Trainingsmethoden, Kadavergehorsam, Kommandos brüllen.
Hundeschule: Geldgierig, unzureichend ausgebildete TrainerInnen, Richtungskämpfe zwischen Wattebäuschchenwerfern und „Klassischen“ Trainern
Cesar Milan: Tierquäler aus den USA oder Retter von unberechenbaren Straßenhunden?
Martin Rütter: Ernst zu nehmender Hundetrainer oder Comedian?
Maja Nowak: Hat sie Ahnung oder ist sie gefährlich?

In einer Einschätzung zu einer Hundeschule vor Ort fand ich:

Leider bekommt man in einigen Landkreisen die Erlaubnis nach Paragraph 11 auch so hinterhergeworfen, denn das ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt. Einige Hundeschulen müssen Mengen an Ausbildungs- und Weiterbildungsnachweisen vorweisen und andere gar nichts

und weiter schrieb mir die Freundin:

Was mir negativ aufgefallen ist, ist dass dort der Hundeführerschein des HSAG abgenommen wird (und das ist nur für dem HSAG angeschlossene Hundeschulen möglich – demnach wird nach deren Methoden trainiert) und andererseits dort steht :“ Im Umgang mit Ihrem Hund können Sie als harmonisches Hund-Mensch-Team viel mehr erreichen als durch veraltete Methoden.“ Der HSAG-Hundeführerschein jedoch besteht nur aus vollkommen veralteten Methoden und ist aus tierpsychologischer Sicht unhaltbar…

Was ist eigentlich „tierpsychologische Sicht“? Welche Ausbildungen sollte eine Hundetrainerin haben?
Was ist zu halten von der Initiative Trainieren statt Dominieren?

Ich stelle fest, dass mir da der GFK-Ansatz ausgesprochen gut gefällt. Ich habe eine Beobachtung. Sie löst Gefühle aus. Ich identifiziere erfüllte und unerfüllte Bedürfnisse. Und dann entscheide ich mich für eine Strategie als Versuch, die Bitte umzusetzen.

Gestern war ich also mit Fontane in einer Hundeschule 50 km entfernt, deren Besitzerin ich vertraue. Fontane benahm sich wie „Pudel auf Ecstasy“.Nach dem Gespräch fühlte ich mich richtiggehend elend und ein Teil von mir dachte, mein Hund ist ein Psychopath und ich komplett unfähig. Das ist ein sehr vertrautes Muster, das ich aus der Kindheit meines Sohnes kenne.

Dann habe ich mich auf die praktischen Ratschläge besonnen und war eine lange Leine einkaufen.
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Gestern Abend und heute Nacht haben wir ein paar von den Tipps ausprobiert. Ich quietsche nicht mehr so wild und hoch vor Begeisterung, wenn ihm etwas gelingt oder mir sein Tun Freude bereitet. Ich stelle fest, dass mein Hund gut Augenkontakt aufnehmen kann. Bei unserem Ausflug in den Park haben vier von fünf Rückrufen geklappt, obwohl wir das vorher noch nie an einer langen Leine geübt haben. Wir entwickeln neue attraktive Belohnungen fürs Pieschen in freier Wildbahn und hatten heute bisher kein Missgeschick im Haus. HURRA! Er verbringt jetzt mehr Zeit in der Gitterbox neben meinem Schreibtisch, damit er deutlicher anzeigen muss, dass er raus will. Zum Ausgleich dehnen wir die Spaziergänge aus.

Ich merke, dass ich sehr ängstlich bin und möchte, dass mit meinem Hund alles „in Ordnung“ ist. Er soll „normal“ sein, wie andere Hunde. Wird an ihm etwas als ungewöhnlich beschrieben (mit 13 Wochen noch nicht stubenrein), beziehe ich das sofort auf mich. Mit mir stimmt was nicht, sonst würde der Hund ja funktionieren. Leute, Leute … ich habe nicht geahnt, dass ich mir so viel Entwicklungspotential ins Haus hole …

Wir feiern heute: Tag 1 stubenrein.

So long!

Ysabelle

Sitz! Platz! Schnauze, verdammt!

Hallo, Welt!
Ich melde mich zurück nach langer Pause. So wie ich den Blog früher gepflegt habe, möchte ich nicht mehr weiter machen. Gleichzeitig habe ich viel zu teilen und ich weiß, dass es einige treue Fans gibt, die vielleicht auch weiter lesen, wenn sich der Schwerpunkt verändert. Das hat auch damit zu tun, dass sich mein Leben verändert hat.

Nach einem Jahr Abwägen ist vor fünf Wochen mein neuer Lebensgefährte bei mir eingezogen. Er heißt Fontane Fontane mit 13 Wochen und ist am Sonntag drei Monate alt geworden. Und dieser Mitbewohner stellt mein „Gewaltfrei sein“ noch einmal vor ganz neue Herausforderungen.

Die ersten Tage erinnerten mich sehr an meine Zeit nach der Geburt meines Sohnes. Ich hatte damals die verquirltesten Ideen im Kopf, wie das Sein mit Kind wohl wäre. Die Realität waren schlaflose Tage und Nächte, tiefste Erschöpfung, Trauer und Hilflosigkeit.

Mit Fontane war es nicht ganz so schlimm. Und zum Glück habe ich Freunde an meiner Seite, denen die Gewaltfreiheit im Umgang mit Tieren ein ebenso wichtiges Anliegen ist wie mir. Wie kann ich mich denn Trainerin nennen wollen, wenn ich bei meinem eigenen Hund nicht gewaltfrei bin? Dazu mehr in den nächsten Tagen.

Heute Morgen hatte ich eine besondere Begegnung. Jemand aus meinem Familienkreis und Fontane trafen aufeinander. Die Person mochte es nicht, dass Fontane an ihr hochsprang (was ich verstehen kann. Mir gefällt das auch nicht). Ich drückte ihr die „Knackschachtel“ mit den Leckerlis in die Hand und sie suchte sich welche aus. „Fontane, sitz! Fontane, sitz!“ Zunehmend ungeduldiger und genervter blaffte sie den Hund an, der noch immer wie wild um sie herum tanzte. Ich hockte daneben und hörte mich sagen, „sprich nicht so harsch mit ihm. Ich hätte dann auch keine Lust mich hinzusetzen …“

Tatsächlich kommen mir die Tränen bei der Erinnerung an diese Szene. Befehl und Gehorsam. Und bist du nicht willig, dann brauch ich Gewalt. Tust du nicht, was ich anordne, dann wirst du schon sehen, was du davon hast … Dieses ganze Thema Hundeerziehung, von dem ich dachte, dass das eigentlich nichts mit mir zu tun hat, rührt unzählige alte Verletzungen und Erinnerungen an. Wenn du nicht tust was ich will … dann … ist mal Liebesentzug das mindeste, was du zu erwarten hast …

Um mich herum gibt es eine Menge Menschen, die einen Hund haben und durchaus liebevoll mit ihm umgehen. Trotzdem nutzen sie Gewalt in einer Weise, wie die Gewaltfreie Kommunikation Gewalt definiert. Eine Teilnehmerin meiner Übungsgruppe schlug vor, als Disziplinierungsmittel einen Wäschesprenger einzusetzen. „Das tut ihm doch nicht weh“. Ich erinnere mich an die Zeit, als mein Sohn nicht ohne seine riesige Wasserspritzkanone „Super-Soaker“ aus dem Haus ging. Wie habe ich es gehasst, seine Zielscheibe zu sein …

Was die Sauberkeitserziehung angeht, gibt es viele Tipps aus dem Kreis der Hundebesitzer. Der beliebteste ist, Hundekopf in Hundepipi zu drücken.

Um unerwünschtes Verhalten abzustellen, empfiehlt die Züchterin Kneifen in den Nacken und Schnauzengriff.

„Der Hund darf nie die Leine in die Schnauze nehmen, das ist der verlängerte Arm, den darf er nie beißen …Der Hund darf nicht vor dir durch die Tür gehen, das ist Dominanzverhalten, das darfst du ihm nicht durchgehen lassen …

… und ein Trainerkollege empfahl mir allen Ernstes ein Hundehalsband, das elektrischen Schläge austeilt. „Das tut doch nicht wirklich weh …“ Ich nehme stark an, er würde das bei Kindern nicht ausprobieren wollen.

Das erste Aufregende, was mich mein Hund lehrt, erinnert an eine alte Geschichte, die Marshall Rosenberg erzählte: „How do you do a don’t?“
Für mich übersetzt: Sag mir doch nicht dauernd „nein“ oder „aus“ oder so einen Scheiß. Ich weiß dann nicht, was ich machen soll. „Aus“ bedeutet für mich nichts. Sag mir stattdessen, was ich tun soll. Und wenn ich das mehr attraktiv finde als das, was ich hier gerade mache, tue ich das gern.

Im Klartext: Statt ihn dauernd anzublaffen, wenn er beim Gassigehen in meine Hose beißt oder nach den Schnürsenkeln schnappt, habe ich ein Zerr-Tau mit dabei oder einen Hartgummiball am Band. Damit spielen wir miteinander. Meine Aufmerksamkeit ist bei meinem Hund, und nicht bei den Mails auf dem Smartphone. Wir sind ein Team, und ich bin der Senior-Chef.
So long,

Ysabelle

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